Missachtet jemand ein Verkehrszeichen, das gar nicht sichtbar ist, trifft ihn keine Schuld. Das gilt zum Beispiel dann, wenn die Tafel im Zuge von Bauarbeiten entfernt oder durch äußere Gewalteinwirkung umgeknickt wurde. Aber wie steht es um das Verschulden, wenn das Verkehrszeichen zwar schlecht, aber gerade noch sichtbar ist? Dann müssen sich Autofahrer zwar daran halten; aber derjenige, der für die schlechte Sicht verantwortlich ist, kann mit schuld sein, wenn es an der Kreuzung kracht.
Der Oberste Gerichtshof korrigierte im gegenständlichen Fall nun wieder auf Mitschuld der Baufirma: Laut behördlicher Bewilligung war das Unternehmen verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit Behinderungen jeglicher Art zu vermeiden. Indem die Arbeiter den Container auch nach der Arbeit stehen ließen, verletzten sie jene Schutznorm, die Gefahren verhindern sollte. Da aber die Klägerin bei einer ihr unbekannten Kreuzung auf die Einschränkung der Sicht hätte reagieren und daher besonders vorsichtig hätte fahren müssen, ist auch sie zur Hälfte mit schuld, so der OGH.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 25.08.2014)
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